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Wenn das Christkind daneben greift

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Von: Eva Pfeiffer

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Am 24. lagen sie unter dem Weihnachtsbaum, nach den Feiertagen dann neu verpackt auf der Weihnachtsmarkt-Bühne: Ungeliebte Geschenke, die bei der Tauschaktion von Gießen Marketing eine zweite Chance bekommen haben. Foto: Pfeiffer © Pfeiffer

Auf dem Weihnachtsmarkt in Gießen suchen Hemdenbügler und Co. neue Besitzer - denn die Marketing GmbH hat dazu eingeladen, ungeliebte Geschenke umzutauschen.

Gießen . Ein »Kochbuch« für Mikrowellengerichte für eine Person, schon wieder ein Paar Socken in lebensbejahendem Grau oder ein grell-gemustertes Hawaiihemd, das selbst im Sommerurlaub deplatziert wirkt - wie man auf diese ungewollten Präsente reagieren kann, ohne die Gefühle des Schenkenden zu verletzen, zeigt der britische Schauspieler Benedict Cumberbatch in einem ironischen Internetvideo. Dass auch in Gießen und Umgebung die eine oder andere Gabe unter dem Weihnachtsbaum lag, die den Beschenkten alles andere als glücklich machte, war nun auf dem Weihnachtsmarkt zu sehen. Zum ersten Mal hatte die Gießen Marketing GmbH zur Geschenke-Tauschaktion eingeladen und die Resonanz war groß: 33 ungeliebte Weihnachtspäckchen wurden abgegeben und im Anschluss wahlweise für den guten Zweck gespendet oder gegen ein anderes abgegebenes Geschenk eingetauscht.

»Das ist ein automatischer Hemden- und Blusenbügler«, verrät die Gießenerin, die das mit Abstand größte Paket auf dem Gabentisch auf der Weihnachtsmarkt-Bühne auf dem Kirchenplatz abstellt. Eine Verwendung habe sie für das Haushaltsgerät nicht - zumal es nur unnötig Zeit und Energie verschwende: »Mit dem Bügeleisen bin ich schneller.« Wer ihr das Gerät geschenkt hat, möchte sie lieber nicht verraten, um keine Gefühle zu verletzen.

Dass das Weiterverschenken ein heikles Thema sein kann, das hat man auch bei Gießen Marketing berücksichtigt: »Wir wollen keine Dramen auslösen«, sagt die bestellte Veranstaltungsleiterin Sabine Glinke. Das spätere Auspacken in großer Runde findet daher nur mit Einverständnis des jeweiligen Paket-Abgebers statt.

Jedem abgelieferten Geschenk verpasst Sabine Glinke an diesem Abend eine Nummer und reiht die einzelnen Päckchen auf dem Tisch auf. Vom großen Karton eingewickelt in Zeitungspapier bis hin zum kleinen Päckchen mit Schneeflockenmuster ist alles dabei. Schon nach wenigen Minuten hat sich eine kleine Schlange vor der Weihnachtsmarkt-Bühne gebildet.

Nicht jeder Schenkende weiß Bescheid

Eine, die ihre ungeliebten Geschenke loswerden will, ist Maria Jung, die zusammen mit ihrer Mutter an der Tauschaktion teilnimmt. Verschiedene Dekoartikel und eine DVD hat sie eingepackt, um damit vielleicht jemand anderen glücklich zu machen. Weiß der Schenkende, dass sie mit seiner Auswahl nichts anfangen kann und nun weiterreicht? »Nein, das macht man nicht. Derjenige hat sich ja Gedanken gemacht«, findet die junge Frau.

Eine andere Teilnehmerin setzt dagegen auf Offenheit: Ihre Freundin, von der sie ein Wichteltür-Set geschenkt bekommen hat, wisse, dass sie an der Tauschaktion teilnimmt. »Das war für sie okay.« Die Aktion findet sie gelungen: »Vielleicht hat ja jemand anderes Spaß daran. Und wenn das Tauschgeschenk nichts ist, dann spende ich es.«

Eine ältere Dame hat sich dazu entschieden, das geschenkt bekommene Eau de Toilette wieder abzugeben: »Das ist ein sehr lieblicher Duft, aber ich mag es lieber kräftig. Eintauschen will sie es nicht, sie spendet das kleine Päckchen: »Ich habe genug, ich brauche nichts mehr.« Die gespendeten Geschenke wird die Marketing GmbH an soziale Einrichtungen in der Stadt weiterreichen - je nachdem, wo das jeweilige Geschenk am besten hinpasst.

Zwei Brüder, 17 und 15 Jahre alt, sind extra von Wetzlar gekommen, um ihre Geschenke loszuwerden. Die elektrischen Zahnbürsten, die sie zu Weihnachten erhalten haben, lösten bei den Teenagern keine Begeisterungsstürme aus. »Ich hoffe auf etwas Besseres«, sagt der 17-Jährige, dessen Tante ihn auf die Aktion aufmerksam gemacht hatte. Einige Meter weiter steht eine Buseckerin, die für die Tauschaktion eine Lotuskerze eingepackt hat: »Die Farbe macht mich nicht glücklich. Ich hoffe, dass jemand anderes daran Freude hat.«

»Es geht um den Spaß«

Als die Kirchenglocken nach 18 Uhr verstummt und alle Geschenke mit Nummern versehen sind, beginnt der Tausch. Jeder Teilnehmer zieht eine Nummer aus einem Beutel, nach und nach werden die einzelnen Pakete geöffnet. Den Auftakt macht der Hemden- und Blusenbügler - die dazugehörige Nummer 1 hat Birgit Jung aus Kleinlinden gezogen, die das unhandliche Paket auf dem Boden abstellt. »Ich bügle eh schon nicht gerne«, sagt sie und lacht. Die Tauschaktion sei »eine gute Idee, es geht um den Spaß«.

Und der kommt an diesem Abend definitiv nicht zu kurz: Munter werden die ausgepackten Waren hin- und hergetauscht, bis sie dann doch noch bei derjenigen Person landen, die damit etwas anfangen kann. »Das behalte ich jetzt«, sagt Melanie Bell und freut sich sichtlich über die warmen Kuschelsocken, mit denen jemand anderes nichts anfangen konnte. »Das ist eine tolle Aktion. Nächstes Jahr bin ich wieder dabei.«

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