Wer zahlt mehr, wer weniger?

Jeder Grundbesitzer in Gießen erhält jetzt Post von der Stadt. In der wird er daran erinnert, dass er sein Eigentum bis 31. Oktober dem Finanzamt für die Neuberechnung der Grundsteuer melden muss
Gießen. »Für die Stadt bleibt alles beim Alten,« macht der Leiter der Stadtkämmerei, Dr. Dirk During, gleich am Anfang der Pressekonferenz deutlich. Derzeit nimmt die Stadt jedes Jahr 21 Millionen Euro durch die Grundsteuer ein, und das soll auch nach der Reform so bleiben, zu der das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber 2018 vergattert hatte.
Für jeden einzelnen der 26 400 Eigentümer von Häusern, Wohnungen oder Grundstücken in der Stadt Gießen kann sich freilich einiges ändern. Darum sollten sie in den nächsten Tagen in den Briefkasten schauen. Ab morgen erhält jeder von ihnen von der Stadt einen Brief, der auch der Beginn einer Informationskampagne ist, mit der die Stadt die Reform flankierend begleitet. »Für die ist zwar eigentlich das Finanzamt zuständig«, betont Bürgermeister Alexander Wright, »aber da wir ebenfalls die nötigen Daten haben, unterstützen wir. damit sich alle Eigentümer in Gießen rechtzeitig gut informieren können«. Aufrufe in den Medien und in sozialen Netzwerken sollen folgen.
Stadt informiert, Finanzamt kassiert
Bis 31. Oktober muss jeder Immobilieneigentümer eine Erklärung seines Eigentum beim Finanzamt abgeben. Die persönlich adressierten Anschreiben an 25 000 Steuerpflichtige der Grundsteuer B und 1200 der Grundsteuer A mit Informationen der zuständigen Oberfinanzdirektion sind da eine gute Grundlage. Weitere Information oder Hilfe bietet zusätzlich die vom Land Hessen verantwortete Internetseite www.grundsteuer.hessen.de. Fragen beantworte auch das Bürgerbüro des Finanzamtes Gießen
Die Reform ist die größte Änderung der Grundsteuer seit Jahrzehnten. 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherige Praxis der Erhebung der Grundsteuer in Deutschland für verfassungswidrig erklärt und eine Neuregelung gefordert, weil die Bemessungsgrundlage hoffnungslos veraltet sei. In der Tat: In Westdeutschland waren die Grundsteuersätze zuletzt im Jahr 1964 erhoben worden, in Ostdeutschland noch 32 Jahre früher, zu einer Zeit also, in der der deutsche Kanzler noch Hindenburg hieß.
Deshalb hat das Land Hessen ein eigenes Grundsteuergesetz erlassen, das ab 2025 für alle Grundstückseigentümer wirksam wird. »Aber bereits jetzt ist die Mitwirkung aller Eigentümer wichtig«, betonte Wright. Grundlage für die neuen Grundsteuersätze sind die sogenannten Grundsteuermessbeträge zum Stichtag 1. Januar 2022. Alle Eigentümer müssen zwischen dem 1. Juli und 31. Oktober gegenüber dem Finanzamt eine Erklärung über ihr Grundeigentum abgeben. am besten übGrundlage dermner das ELSTER-Portal. Auf der dort festgestellten Grundsteuermessbeträge wird die Stadt 2024 einen neuen Hebesatz für die Grundsteuer A und Grundsteuer B abgeben.
Faustregel: Je älter, desto teuer
Die Veränderung wird für jeden Eigentümer zu einer Verringerung oder zu einer Steigerung der Grundsteuer führen. Die Gretchenfrage ist nun: Für wen wird es billiger und wer muss künftig draufzahlen? Eine Frage, die so leicht gar nicht zu beantworten ist«, meint During. Als Faustregel gilt: Je älter ein Haus ist, desto wahrscheinlicher ist eine Grundsteuererhöhung, da deren Eigentümer bereits lange von zu niedrigen Steuersätzen profitiert haben »Das Ziel der Grundsteuerreform ist mehr Steuergerechtigkeit«, sagt Wright, »das neue Verfahren wird zu einer Veränderung der Grundsteuerhöhe für nahezu sämtliche Grundstücke führen.
Ganz sicher teurer wird es in jedem Fall für Zeitgenossen, die erschlossene Baugrundstücke jahrelang brachliegen lassen, in der Hoffnung auf höhere Renditen, angesichts der beständig steigenden Immobilienpreise. Dafür gab es in Gießen in den vergangenen Jahren ja einige abschreckende Beispiele.
Mit dem neuen hessischen Gesetz ist daher auch die Option zur Einführung einer Grundsteuer C geschaffen worden. Baureife Grundstücke, die bislang noch nicht bebaut worden sind, können mit der belegt werden und zwar maximal bis zum fünffachen Satz der Grundsteuer B. During räumt jedoch ein, dass die beabsichtigende lenkende Wirkung begrenzt sein dürfte, wenn der jährliche Wertzuwachs solcher Grundstücke höher sei als die »Strafsteuer«. Für eine Trendwende auf dem heinischen Immobilienmarkt gibt es derzeit aber keine Anzeichen.
Ziel dieser höheren Besteuerung ist es, betroffene Grundstückseigentümer zu einer Bebauung dieser Grundstücke zu bewegen. Damit könne dem bestehenden Wohnungsmangel begegnet werden, hofft Bürgermeister Wright. »Wir prüfen derzeit die Möglichkeiten der Einführung einer Grundsteuer C. « Deren Einführung müssten letztendlich aber die Stadtverordneten beschließen. Mit einem solchen Beschluss sei nicht vor 2024 zu rechnen.