»Werfen Sie Glanz auf die JLU«

Zwei Jahre war eine solche Gala nicht möglich, deshalb stand die Absolventenfeier der Rechtswissenschaften an der JLU Gießen - zumindest inoffiziell - unter dem Motto »Endlich dürfen wir wieder.
Gießen. Es hatte das Flair einer Galaveranstaltung: Die akademische Feier des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität (JLU) offenbarte in diesem Jahr nicht nur die Absolventen der Jahrgänge 2020 und 2021 und die Silbernen sowie Goldenen Doktoren, sondern auch, dass Dekan Prof. Bernhard Kretschmer durchaus eine altertumswissenschaftliche Karriere anstreben könnte. Der Festredner erläuterte, dass die organisierte Kriminalität immer stärker wird.
Zwei Jahre war eine solch würdevolle Feier Pandemie-bedingt nicht möglich, deshalb stand sie - zumindest inoffiziell - unter dem Motto »Endlich dürfen wir wieder« und der Fachbereich nutzte die Möglichkeit, die Absolventen wieder persönlich zu verabschieden. Prof. Thilo Marauhn eröffnete die Veranstaltung musikalisch. Der Völkerrechtler spielte zwei Stücke des norwegischen Komponisten Edvard Grieg am Klavier und stimmte so auf den bevorstehenden Abend ein.
Klavier und Siegel
Die Begrüßung oblag Dekan Prof. Bernhard Kretschmer: »Ich und wir alle haben zweieinhalb Jahre auf diesen Moment gewartet. Ich musste mich als Dekan extra wiederwählen lassen, um diesen Vortrag zu halten«, sagte er schmunzelnd. Der Dekan nutzte die Zeit, um das Siegel des Instituts näher zu betrachten und sich die Frage zu stellen, wer denn abgebildet sei. Neben dem Landgrafen Ludwig V. und Karl dem Großen kam Kretschmer auch auf weitere Personen zu sprechen. »Gottfried Anton war nicht nur der Rektor der Universität, sondern auch unser erster Dekan. Ich sehe ihn also quasi als Ahnherren.«
Die Suche ging weiter und zeitweise fragte sich der Zuhörer, ob er hier wirklich einen Juristen oder einen Mediävisten mit Expertise in Siegelkunde vor sich habe. Kretschmer zeigte sich schließlich überzeugt davon, dass Kaiser Rudolf II. auf dem Siegel abgebildet ist und gab zugleich den Wahlspruch Ludwigs V. an die Absolventen weiter. »Werfen Sie Glanz auf die JLU, indem sie aufrecht und standhaft sind«, unterstrich der Dekan und gab das Wort an die Vizepräsidentin für Studium und Lehre, Prof. Katharina Lorenz, weiter.
Lorenz musste ob der Siegelkunde ihres Kollegen zunächst ein Angebot aussprechen. »Ich bin ja Altertumswissenschaftlerin. Und so präzise, wie Sie mir das eben erklärt haben, biete ich gerne eine Forschungskooperation zwischen unseren beiden Bereichen an. Wir machen ja doch ähnliche Dinge«, sagte Lorenz einleitend. Die Situation anlässlich des Festaktes zeige, wie wichtig Rituale und Präsenzveranstaltungen seien. »Wir sind gleichzeitig stolz darauf, was wir in den Pandemie-Jahren geleistet haben. Die Erfahrungen aus der Krise werden wir mit in die Zukunft nehmen«, bekräftigte die Vizepräsidentin. Die Ausbildungsweise des Fachbereichs sei ein Erfolgsmodell, das bewiesen Projekte wie etwa die »Refugee Law Clinic«.
Der Vertreter des Justizprüfungsamtes, Jens Rathmann, betonte die Komplexität des Examens in der Pandemie. »Das ist ohnehin das anspruchsvollste Examen aller Fakultäten. Die Pandemie war ein Zeitraum mit besonderen Herausforderungen.« Das Justizprüfungsamt wolle künftig die Beschränkungen in angemessener Weise zurückfahren und Rathmann gratulierte den Studierenden.
»Uns ist klar, dass wir nicht der Lieblingsendgegner sind. Wir sehen uns nicht als Endgegner. Wir wollen, dass das Examen für alle fair bleibt. Wenn Post von der Zeil 42, 60313 Frankfurt kommt, steigt bei vielen erstmal der Puls, das wissen wir. Sie können sich im Referendariat sicher sein: Sie werden uns nicht los«, so Rathmann.
Studiendekanin Bettina Schöndorf-Haubold oblag es dann, die Jahrgänge offiziell zu verabschieden und gemeinsam mit Dekan Kretschmer auch die Jubilare der Silbernen und Goldenen Doktoren auszuzeichnen. »Sie haben es geschafft«, betonte Schöndorf-Haubold in diesem Zusammenhang. Einer der Jubilare der Silbernen Doktoren stand jedoch kurz darauf im Fokus.
In seinem Festvortrag sprach Prof. Jürgen Stock, Generalsekretär von Interpol, über die Komplexität seiner Arbeit und die damit verbundenen Ansprüche. »Ich mache mehr internationale Demokratie statt Rechtsdogmatik. Strafrecht und Kriminologie ist hier der Schwerpunkt«, unterstrich Stock und erzählte von eigenen Erfahrungen im Studium. »Im ersten Semester wurde von einem Dozenten unser krimineller Hintergrund erfragt. Es stellte sich heraus, dass wir alle kleine Sünderlein sind. Delinquentes Verhalten erledigt sich aber meist mit der Sozialisierung - oder auch nicht«, so Stock.
Der neueste Trend in den Medien sei »True Crime«, aufgezogen im Format der erfolgreichen Serie »Aktenzeichen xy ungelöst«. Das Thema Organisierte Kriminalität, ein Schwerpunktthema Stocks, sei im Alltag als Thematik jedoch weniger präsent. »Terroristische oder rassistische Anschläge erschüttern uns. Terroristische Straftaten nehmen zu. Der IS ist weiterhin eine Gefahr für Europa, aber ein wirklicher Themenpunkt ist Cybercrime«, betonte der Alumnus. Deutschland gehöre zweifelsfrei zu den sichersten Ländern der Welt und Kriminalität hat es immer gegeben und werde es immer geben, so der Generalsekretär.
»Die fortschreitende Globalisierung öffnet jedoch nicht nur einen Blick in die Abgründe der Organisierten Kriminalität, sondern öffnet auch die Augen auf das Ausmaß von Korruption.« Durch etwa Geldwäsche bedrohe die Organisierte Kriminalität auch den Westen, es habe sich inzwischen ein »Schattenreich« entwickelt.
»Wir bei Interpol fokussieren uns auf Cyberkriminalität und das Dunkelfeld davon ist gigantisch. Die Risiken werden durch die Industrie 4.0 ansteigen«, so Stock. Rund 90 Tage dauere es, bis ein Unternehmen eine Cyberattacke bemerke, 19 weitere Stunden, bis etwas unternommen wird. »Wir haben die Eine-Billion-Dollar- Schadensmarke durch Cyberangriffe bereits erreicht.« Trotz Ermittlungserfolgen gelte: Cybercrime beherbergt einen großen Profit und ein geringes Risiko. Stock wandte sich auch an die Absolventen. »Wir bei Interpol suchen gute Leute. Fühlen Sie sich frei, ihre Chancen nach ihrem Abschluss als Volljurist bei uns auszuloten.« Foto: Leyendecker
