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Wertschätzung für THW-Helfer

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Von: Rüdiger Schäfer

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Die beiden stellvertretenden Vorsitzenden Serkan Görgülü und Gülcan Bayram ehrten die beiden THW-Vertreter Ralph Jossa (zweiter von links) und Sebastian Sonntag (zweiter von rechts). Foto: Schäfer © Schäfer

Der türkische Ditib Verein Gießen hatte Vertreter des Technischen Hilfswerkes Regionalstelle Gießen (THW) eingeladen, um mehr von deren Erdbeben-Hilfeeinsatz in der Türkei zu erfahren.

Gießen . Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen, so ein altes Sprichwort des Dichters Matthias Claudius (1740-1815). Und wenn die Reise aktuell in ein Gebiet nach einem großen Erdbeben führt, um Menschenleben zu retten, dann erst recht. Der türkische Ditib Verein Gießen hatte Vertreter des Technischen Hilfswerkes Regionalstelle Gießen (THW) eingeladen, um mehr von deren Erdbeben-Hilfeeinsatz in der Türkei zu erfahren.

Adem Temizörel moderierte die Veranstaltung in einem vollbesetzten Raum der Ditib-Moschee in der Marburger Straße. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Serkan Görgülü und seine Co Gülcan Bayram ehrten zu Beginn die beiden THW-Vertreter Ralph Jossa und Sebastian Sonntag, »da Sie als Helfer wichtige Hilfe geleistet haben.« Bei so einem Unglück merke man erst, wie wichtig das THW sei. »Es ist nicht so sichtbar wie Polizei und Feuerwehr.« Die Einladung sei einerseits zur Wertschätzung ihrer Arbeit gedacht, andererseits auch, um Vereinsmitglieder zu sensibilisieren. »Als wir mitbekommen haben, dass aus unserer Heimatstadt Helfer in die Türkei geflogen sind, hat uns das sehr gefreut. Wir werden dort einen Baum in ihrem Namen pflanzen.«

Jossa, der beim THW als Mitarbeiter fest angestellt ist, hatte Sonntag als einen der vielen Ehrenamtlichen des Hilfswerkes mitgebracht. »Unser Grundsatz ist, dass wir Hilfe leisten wollen«, betonte Jossa. Sonntag erzählte als einer der THW-Helfer, der vor Ort Hilfe geleistet hatte von seinem Einsatz. Als er am 6. Februar um fünf Uhr zur Arbeit gefahren sein, habe er die schreckliche Nachricht von dem Erdbeben im Autoradio gehört. Um kurz nach 6 Uhr sei bei ihm die erste Nachfrage nach einer möglichen Verfügbarkeit für einen Einsatz dort abgefragt worden. »In Deutschland haben wir 200 ausgebildete Helfer für einen solchen Einsatz. Wir sitzen quasi auf gepackten Koffern. Für zehn Tage Auslandsaufenthalt steht Zuhause alles bereit.« Bereits an diesem Montag sei er nachmittags nach Rüsselsheim zum Treffpunkt gefahren. Danach mit 50 Helfern per Bus zum Flughafen Köln/Bonn, dort mit einer Chartermaschine gestartet.

Mit dabei alles für ein voll ausgerüstetes Camp, auch Stromerzeuger, Sprit und Hund. »Wo wir unser Camp aufschlagen, sind wir zehn Tage lang autark, auf keinerlei Hilfe oder Güter von anderen angewiesen.«

»Nur noch Schutt«

Nach der Landung in der Türkei seien sie nach drei Stunden Fahrt in der Nähe der Stadt Kirikan angekommen, in der vor dem Beben 130 000 Einwohner gewohnt hatten. Kirikan hat zu 98 Prozent nicht mehr existiert. »Da war nur noch Schutt.« Von den 50 Helfern gingen 28 hinaus aus dem Camp. Die anderen gehörten zur medizinischen, logistischen sowie Führungskomponente. Zwei Teams arbeiteten an der jeweiligen Einsatzstelle in zwei Schichten je zwölf Stunden lang. Ein Erkundungsteam mit Spürhunden suche immer zuerst nach Lebenden unter den Trümmern. »Noch Lebende haben stets Vorrang vor der Bergung bereits Toter.«

In einem eingestürzten sechsstöckigen Wohnhaus hätten sie mit 55 Leuten im Schichtbetrieb 61 Stunden benötigt, um eine verschüttete 40-Jährige nach 107 Stunden »Gefangenschaft« rauszuholen. Die Frau sei ansprechbar gewesen und habe bei ihm einen erstaunlich guten Eindruck hinterlassen. »Als ich am nächsten Tag hörte, dass sie im Krankenhaus gestorben sei, habe ich gedacht: Das kann nicht sein.« Diese Nachricht sei für ihn ein »Tiefschlag« mit großer emotionaler Belastung gewesen. Grundsätzlich werde immer zuerst an den Orten versucht zu bergen, wo die Überlebenswahrscheinlichkeit bis zur Rettung am größten sei. Einmal sei die Lage in Kirikan so aufgeheizt gewesen - Aufruhr, Plünderungen, Schießereien mit dem Militär -, dass sie das Camp nicht verlassen durften. Bei ihrer Abreise hätten sie ihr Camp und die gesamte mitgebrachte Ausrüstung für die notleidende Bevölkerung dagelassen.

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