Wie geht’s nach Fund der Synagogen-Reste weiter?
Gießen (bl). Die Bauarbeiten an der Kongresshalle haben einen sensationellen Fund zutage gefördert. Fast 85 Jahre nachdem die Nazi-Schergen die Synagoge der liberalen jüdischen Gemeinde in ihrem menschenverachtenden Wahn zerstört hatten, haben Archäologen den noch gut erhaltenen Keller per »Notgrabung« freigelegt. Vor allem der gute Zustand des eine Handbreit unter dem Asphalt entdeckten Mauerwerks überrascht.
Ein historischer und für viele Gießener gewiss berührender Moment. Und natürlich stellt sich jetzt die Frage, wie dieser Schatz für die Nachwelt erhalten werden kann. Erste Gedanken hat sich dazu nun die Bürgerinitiative (BI) Historische Mitte Gießen gemacht.
Noch ohne Kenntnis baulicher Details werden etwa »weitere Grabungen bis zum Fahrbahnrand der Südanlage« angeregt, um noch weitere Gebäudereste erkunden und sichern zu können. Eine dauerhafte Präsentation sollte wiederum davon abhängen, »wie bedeutsam die uns noch nicht bekannten Befunde sind«, so der BI-Vorsitzende Jan-Patrick Wismar in einer Mitteilung. »Angemessen« erscheine es jedenfalls, die archäologischen Spuren in der neuen Oberflächengestaltung hervorzuheben - ähnlich wie dies am Kirchenplatz oder in der Nordanlage mit der Kennzeichnung des Walltores geschehen sei. Alternativ sei vorstellbar, »wie beim Schiffenberg und beim Walltor den Gebäudeumriss gemäß des Messungsrisses mit einer symbolischen Außenmauer zu markieren«. Soweit Gebäudeteile der Kongresshalle den Synagogengrundriss überdecken, sollte laut BI durch entsprechende Materialwahl des Bodenbelages der Grundriss des jüdischen Gotteshauses dokumentiert werden.
Als weitere Idee wird »die Einfassung mit ebenerdigem oder dreidimensionalem Glas« genannt. So seien die Grundmauern der Synagoge jederzeit sichtbar. Beispielhaft führt die BI den Glaskubus am Marburger Obermarkt an, ebenso den »Garten des Gedenkens«, der seinerzeit nach einem freiraumplanerisch-künstlerischen Wettbewerb errichtet worden war - dort, wo bis zum 9. November 1938 die Synagoge stand. Eine Glasplatte im Boden direkt über der Mikwe gewährt Einblicke in den Untergrund, in dem sich noch Relikte verbergen.
Begrüßt wird ferner der Vorschlag von Dow Aviv, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Gießen, ein anschauliches Modell der ehemaligen Synagoge aufzustellen.
Die Überlegungen zum weiteren Vorgehen stehen noch am Anfang. Der Magistrat möchte darüber in Abstimmung mit dem Denkmalschutz entscheiden. Vieles sei denkbar, müsse aber auch mit den Arbeiten an der Kongresshalle in Einklang gebracht werden können. Skepsis meldete Dr. Sandra Sosnowski vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen indes hinsichtlich einer Glasplatte an. Dies sei aufgrund von Feuchtigkeits- und Schimmelproblemen »nicht mehr das Mittel der Wahl«.