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Wie viele Radler sind in Gießen unterwegs?

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Von: Hans-Juergen Bäuml

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An der Ecke Moltkestraße/Eichgärtenallee werden Radfahrer per Thermicam erfasst. Die bei der Modernisierung von Ampeln montierten Geräte können gleichzeitig als Dauerzählstellen fungieren. Seitenradargeräte wiederum hängen derzeit zum Beispiel in der Ringallee in Höhe der Theodor-Litt-Schule. Foto: Lemper © Lemper

Hessenweit werden 270 Dauerzählstellen installiert, um den Radverkehr zu erfassen. Gießen ist nicht dabei. Der ADFC reagiert enttäuscht, zumal es andere Ankündigungen gegeben habe.

Gießen . Das Radfahren in Gießen soll attraktiver und sicherer werden, damit sich mehr Menschen auf ihren Drahtesel schwingen, die momentan vielleicht noch davor zurückschrecken, weil sie angesichts der vielen Autos ein eher mulmiges Gefühl auf den Straßen haben. Um dieses Ziel zu erreichen oder ihm zumindest näherzukommen, braucht es auch ein leistungsfähiges und durchgängiges Radverkehrsnetz. »Für eine effektive und zielgerichtete Planung und Entwicklung«, die sich an dem Nutzungsverhalten und den Anforderungen der Radler orientiert, werden wiederum »verlässliche Verkehrsbelastungszahlen benötigt«, heißt es im »Masterplan für die Gestaltung nachhaltiger und emissionsfreier Mobilität - Green City Plan« von 2018. Insgesamt 26 Zählstellen an »systemrelevanten Punkten« im Stadtgebiet waren zu diesem Zweck vorgesehen.

Doch während im Landkreis - genauer in Hungen-Steinheim - nun die erste Einrichtung dieser Art von »Hessen Mobil« betrieben wird und weitere folgen sollen, würden in Gießen »einmal mehr früher getroffene Zusagen nicht umgesetzt«, moniert ein »enttäuschter« Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC) in einer Mitteilung. Vielmehr handele es sich um einen weiteren Beleg, »dass die Kluft zwischen städtischen Ankündigungen und städtischen Maßnahmen im Verkehrsbereich enorm ist«. Auf dem Weg zur Klimaneutralität 2035 passiere jedenfalls zu wenig. Allein auf dem Christoph-Rübsamen-Steg herrsche ein solch hohes Radverkehrsaufkommen, dass es bedauerlich sei, auf eine Zählung zu verzichten.

Ende Mai habe die Stadtverwaltung dem ADFC gegenüber personelle und finanzielle Gründe für ihre Zurückhaltung genannt und darauf verwiesen, dass Radfahrende zunächst an einigen bestehenden Ampelanlagen durch Wärmebild-Verkehrssensoren miterfasst würden.

Allerdings habe die Stadt »mitnichten davon Abstand genommen, ein Netz an Dauerzählstellen aufzubauen«, entgegnet Magistratssprecherin Claudia Boje auf Anfrage des Anzeigers. Lediglich der Zeitplan für eine Realisierung könne nicht wie beabsichtigt eingehalten werden. Es liege auch schon eine Förderzusage durch ein Bundesprogramm vor, mit dem die Mengen unterschiedlicher Verkehrsarten - inklusive des Radverkehrs - dauerhaft ermittelt werden könnten.

Stadt nutzt andere Messsysteme

Ergänzende Messsysteme machten besonders dann Sinn, so Boje weiter, »wenn sie kompatibel zu den bereits vorhandenen sind«. Die Verwaltung habe deshalb zwar Interesse am Landesprogramm bekundet, aber vor einer Zustimmung weitere Informationen angefragt. Etwa darüber, welche Systeme in der engeren Auswahl sind sowie welcher Aufwand und welche Kosten entstehen, um die erhobenen Daten auszuwerten und aufzubereiten. Die Antworten habe das Land Hessen im Vorfeld nicht geliefert - und daher habe sich Gießen beim ersten Aufruf nicht beteiligt.

Um die knappen finanziellen und vor allem personellen Ressourcen effektiv zu nutzen, installiere die Stadt bei der Modernisierung von Ampeln oft sogenannte Thermicams, die gleichzeitig als Dauerzählstellen dienten. Ein Großteil der im »Green City Plan« aufgeführten Standorte lasse sich so im selben Streckenabschnitt abdecken.

Darüber hinaus komme derzeit ein Seitenradargerät zur dauerhaften Erfassung von Radverkehr zum Einsatz, ebenso mehrere mobile Seitenradargeräte, »die zur mitunter wiederholten, aber temporären Messung verwendet werden«, erläutert Claudia Boje. Dabei würden auch Fahrzeugkategorien und Geschwindigkeiten dokumentiert. Und schließlich würden noch regelmäßig komplexe Verkehrsströme in Verkehrsknoten aufgezeichnet - auf Videobasis und getrennt nach Verkehrsarten. Die Ergebnisse sollen auch zur Evaluierung des Verkehrsversuches herangezogen werden.

Besonders viel los am Rübsamen-Steg

Radfahrerinnen und Radfahrer auch an jenen Stellen wie dem Christoph-Rübsamen-Steg zu zählen, wo dies nicht mit einer Signalisierung gekoppelt werden könne, bleibe »weiterhin sehr wünschenswert«, zumal ein besonderes öffentliches Interesse zu vermuten sei, versichert Claudia Boje. Nur sei dies mit der verfügbaren Personaldecke »leider bis auf Weiteres« nicht möglich, da andere, vor allem sicherheitsrelevante Maßnahmen Priorität hätten. »Die Straßenverkehrsabteilung sondiert aber den Markt, wie der Öffentlichkeit die Verkehrsdaten aus den verschiedenen Kanälen präsentiert werden können. Die technische Entwicklung im Bereich Radverkehrsdatenerhebung ist so schnell, dass Gießen von den Erfahrungen anderer Städte profitieren möchte.«

Hessenweit sollen bis Ende des Jahres 270 Dauerzählstellen eingerichtet werden. Dies geschieht mithilfe von in die Oberfläche integrierten und speziell konfigurierten Induktionsschleifen. Die Daten werden per Mobilfunk an einen zentralen Server übermittelt. Erwartet werden systematische und repräsentative Erkenntnisse darüber, wann und wo wie viele Radler in welcher Richtung unterwegs sind. Das Land investiert dafür rund 3,6 Millionen Euro aus dem Klimaschutzplan Hessen 2025. Koordiniert wird das Projekt von der Straßenbaubehörde Hessen Mobil.

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