Wieder eine Rarität im Botanischen Garten

Gießen. Seit der Seidenbienen-Ölkäfer (Stenoria analis) 2016 im Botanischen Garten in Gießen nachgewiesen wurde, konnte dieses Insekt mit der interessanten Vita bis heute jedes Jahr im Stadtzentrum beobachtet werden. Die Existenz dieses Ölkäfers ist an die Anwesenheit der Efeu-Seidenbiene gebunden, denn der Käfer ist Brutparasit dieser Wildbiene. Von der Efeu-Seidenbiene gibt es seit 2013 im Sandtrockenrasen des Botanischen Gartens eine Nistkolonie.
Es war also nur eine Frage der Zeit, bis auch der erst seit 2013 für West-Deutschland belegte Brutparasit in Gießen auftauchen würde. Allerdings bleibt der Gießener Käferfund auch weiterhin etwas Besonderes, denn das Insekt ist nur von wenigen Standorten Südwestdeutschlands bekannt und dürfte damit ein Alleinstellungsmerkmal des Gießener Botanischen Gartens sein. Zur Zeit seiner Entdeckung stand der Käfer in der Roten Liste in der Kategorie 0, was »ausgestorben« oder »verschollen« bedeutet. Nach der Revision der Roten Liste 2022 wurde das Kerbtier in die Kategorie 1 - »vom Aussterben bedroht« - umgestuft.
Die Deckflügel des Käfers leuchten in der Farbe Orange und weisen an ihrem Ende einen schwarzen Fleck auf. Sowohl der Erstbeschreiber H. R. Schaum (1859) als auch G. Kraatz (Entomologische Zeitschrift, XIX. 1875. Heft H.) berichten von schwarzen Formen als Sammlungsexemplaren. Diese Erscheinung wird als Melanismus bezeichnet und geht nach heutigen Erkenntnissen auf eine Anreicherung von Melanin in den verschiedenen Körperstrukturen zurück. Ursache für die verstärkte Einlagerung dieser Pigmente können sowohl genetische als auch Umweltfaktoren sein. Dieses Phänomen der Schwärzlinge tritt in der Tierwelt bei zahlreichen Arten auf. Man kennt es nicht nur von den Wirbellosen (Birkenspanner), sondern auch von den Wirbeltieren (Jaguar/Schwarzer Panther). Bereits 2020 wurde im Botanischen Garten von beiden Geschlechtern je ein schwarzgefärbtes Exemplar des Seidenbienen-Ölkäfers gefunden. 2022 wurde wieder ein schwarzes Weibchen entdeckt, das gerade dabei war, Eier abzulegen. Da bisher von anderen Standorten Deutschlands keine dunkel gefärbten Exemplare gemeldet oder bekannt sind, gelten die Gießener Funde schon als Rarität, denn es handelt sich um die ersten Beobachtungen dunkler Exemplare seit dem Jahr 1875.