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»Wildwest«-Szenen vor Schulbeginn

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Von: Rüdiger Schäfer

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»Elterntaxis« als Problem: Vor den Schulen kommt es regelmäßig zu gefährlichen Situationen - und auch den Kindern wird mit dem »Bring-Service« nicht wirklich ein Gefallen getan. Die Polizei hat am Freitagmorgen vor Korczak-Schule und GGO umfassend kontrolliert. Vor Ort war auch Polizeipräsent Bernd Paul (2. v. r.) Foto: Schäfer © Schäfer

Vor Korczak-Schule und Gesamtschule Gießen-Ost kontrollierte die Polizei zahlreiche »Elterntaxis«. Viele Verstöße wurden festgestellt. Und: Mit diesem Service tut man auch den Kindern keinen Gefallen.

Gießen. Das Problem Elterntaxi gäbe es wohl nicht, wenn alle Erziehungsberechtigte von Schulkindern es dem mittelhessischen Polizeipräsidenten Bernd Paul gleichgetan hätten. »Ich habe mir eine Woche freigenommen, mein Kind jeden Morgen zu Fuß zur Schule gebracht. Am letzten Tag habe ich es allein gehen lassen und bin unbemerkt hinterher, um sicher zu sein, dass das funktioniert«, sagte Paul bei einer polizeilichen Großaktion am Freitagmorgen zwischen 7.15 und 9 Uhr im Alten Steinbacher Weg im Bereich der Korczakschule und der Gesamtschule Gießen-Ost (GGO).

Wild durcheinander fahrende Autos, blendende Scheinwerfer, blockierte Gehwege und Fußgängerüberwege, aussteigende Insassen und überhöhte Geschwindigkeiten - diese und ähnliche Szenarien spielen sich fast täglich vor vielen Schulen ab und sind Auswirkungen des elterlichen Bring-Services - dem sogenannten Eltern-Taxi.

Dieser mutmaßlich wohlgemeinte Service wirkt sich in einem kurzen Zeitfenster fatal auf die Verkehrssicherheit vor Schulen aus und beeinträchtigt in gefährlicher Weise den Schulweg der jüngsten Verkehrsteilnehmer.

Mitarbeiter des Regionalen Verkehrsdienstes (RVD) in Gießen nahmen diesen Bring-Service vor dem Schulbeginn der Grundschule und der GGO ins Visier. Hierbei standen Geschwindigkeitsmessungen sowie Park- und Halteverstöße, Verstöße gegen die Sicherung von Kindern in Fahrzeugen oder Behinderungen/ Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer im Fokus.

GGO-Schulleiter Dr. Frank Reuber und Korczak-Konrektorin Wiebke Becker erläuterten die realen Gefährdungen vor Ort. Reuber sieht eine besondere Gefahr für die vielen rad fahrenden Schüler. »Pkw fahren auf den Busstreifen, drehen dann, ohne jedes Mal auf Radfahrer zu achten«, schilderte er unter anderen eine brenzlige Situation.

Kein Verständnis hat er für eine zunehmende Beobachtung: »Es gibt welche, die werden jeden Morgen mit dem Minicar hierhergefahren. Die wohnen nicht mehr als einen Kilometer entfernt. Und das ist nicht ihr Vater, der sie herbringt.« Mittags, nach Schulende, spiele sich hier oft »Wildwest« ab. Auch der »ständige Querverkehr« sei mitverantwortlich für die Problematik. »Am liebsten hätte ich hier eine Verkehrsberuhigung mit zehn Stundenkilometern.«

Becker ergänzte: »Manche stellen ihr Auto noch ab und bringen ihre Kleinen bis an unsere Tür.« Auch in den letzten Wochen seit Schulbeginn habe es etliche Vorfälle mit glücklicherweise nur leichten Blessuren gegeben.

Polizeipräsident Paul: »Als Vater sage ich mir: Es ist doch gut für mein Kind, wenn es sich vor Schulbeginn bewegen kann, richtig wach geworden ist.« Ihm fehle ansonsten die soziale Komponente, mit anderen Kindern sich auszutauschen, noch das eine oder andere zu besprechen. »Das geht den Kindern völlig ab.« Die reelle Situation stelle sich so dar, dass Eltern morgens spät dran seien. Zeitdruck entstünde, da viele den »Bringservice mit ihrem Weg zur Arbeit verbinden.

Es müsse husch, husch gehen. Folge: »Es wird dann flott gefahren.« Viele schnallten sich noch nicht mal an und lebten damit ihren Kindern ein schlechtes Beispiel vor. »Und wie sollen die so Kinder lernen, sich sicher im Verkehr zu bewegen?«

26 Fahrzeuge wurden bei der Kontrolle gestoppt. In diesen waren zehn Kinder nicht vorschriftsmäßig gesichert. Ein falscher Sitz oder ohne Sitzerhöhung angeschnallt kosteten den Fahrzeugführer jeweils 30 Euro. Zwei Kinder fuhren ohne jegliche Sicherung mit. Außer 60 Euro Bußgeld kam da noch ein Punkt in Flensburg hinzu. Drei Erwachsene waren selbst nicht angeschnallt. Für diese werden jeweils 30 Euro Verwarnungsgeld fällig.

Dass das »Elterntaxi« nicht nur ein Verkehrsproblem darstellt, sondern man den Kindern damit keinen wirklichen Gefallen tut, ist offensichtlich. Und dass diese Problematik auch an vielen anderen Schulen wie LLG/Georg-Büchner-Schule und Brüder-Grimm-Schule in Kleinlinden exisiert, ist stadtbekannt.

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