»Wir fordern Politik der Abrüstung«

Seitens der etwa 60 Teilnehmenden wurde Kritik an der aktuellen politischen Entwicklung rund um den Ukraine-Krieg laut, vor allem an den zugesagten Waffenlieferungen.
Gießen (fley). Der Krieg in der Ukraine dominiert seit dem 24. Februar das gesellschaftliche wie politische Leben. Immer wieder schweifen die Gedanken ab in Richtung Osten. So erinnerte auch der diesjährige Ostermarsch am Samstag daran, dass der Krieg in der Ukraine weiter andauert. Bei den Kundgebungen in der Katharinengasse und am Landgraf-Philipp-Platz mit circa 60 Teilnehmern wurde »Klartext« gesprochen. Doch nicht immer nahm das Auditorium die Botschaft so auf, wie es sich die Redner gewünscht hatten.
Die Gespräche in der Sonne, sie waren bereits vor Beginn der Kundgebung von durchaus hitzigen Debatten geprägt. Eine ältere Dame etwa erregte mit ihrem Schild Aufsehen. »Krieg ist nur Menstruationsneid« stand darauf zu lesen. Als eine Passantin die Dame ansprach, was ihr Schild denn bedeuten würde, begannen beide eine lautstarke Debatte.
Der Großteil der Anwesenden war deutlich gegen jede Form des Krieges, ungeachtet dessen, wer der Aggressor sei. Die Deutsche Friedensgesellschaft verteilte Flyer mit der Überschrift »Nein zum Krieg!«. Diese Gesellschaft fordert unverzügliche Friedensgespräche und eine Evakuierung von Zivilisten sowie die unbürokratische Aufnahme der Geflüchteten.
Gegen Lieferungen
Ebenso kontrovers diskutiert wurde das Thema Waffen. Die Forderung der Teilnehmer: Keine deutschen Waffenlieferungen in die Kriegsregion und keine weitere Aufrüstung. »Wir fordern, die von der Bundesregierung geplanten Waffenlieferungen an die ukrainische Armee nicht durchzuführen. Es gibt keine Trennung zwischen Defensiv- und Offensivwaffen. Jede Waffe kann immer auch als Unterstützung für einen eigenen Angriff oder Gegenangriff genutzt werden«, hieß es, und weiter: »Wir fordern eine Politik der Abrüstung statt der Aufrüstung«. Nur ein gemeinsamer Weg der Abrüstung könne zu einer neuen Entspannungspolitik führen. »In vielen Regionen der Welt - und auch in zahlreichen russischen Städten - demonstrieren gerade Menschen gewaltfrei für ein Ende des Krieges in der Ukraine. Das Wort ›Frieden‹ bedeutet im Ukrainischen und Russischen dasselbe. Setzen wir alle uns dafür ein!«.
Der Vorsitzende des DGB-Kreisverbands Gießen, Klaus Zecher, wandte sich mit einer persönlichen Geschichte an die Menge: »Wir haben auch 1982 für den Frieden demonstriert. Damals hatten wir Angst vor dem atomaren Schlagabtausch. Der heutige Angriffskrieg macht Menschen zu Opfern. Stoppt den Krieg sofort. Gießen ist eine offene Stadt für alle und wir müssen Kriegsflüchtlinge gleichberechtigt aufnehmen«, so der Redner. Besonders die Gewerkschaften würden internationale Solidarität und nicht Nationalismus vorleben, unterstrich er. »Die Aufrüstung ist nicht die richtige Antwort. Mehr Geld für Rüstung heißt mehr Geld in Vernichtung. Putins Aggression kann nur auf Ablehnung stoßen, der Krieg darf kein Mittel sein.«
Für das Friedensnetzwerk sprach die Kommunistin Martina Lennartz. »Ich habe eine Rede formuliert, die nicht immer der Meinung des Netzwerks entspricht«, begann sie. Die Welt stünde kurz vor dem Dritten Weltkrieg und die Waffenlieferungen nach Kiew müssten unterbleiben, forderte Lennartz. »Nach den Lügen sterben Menschen. Um einen Krieg zu verstehen, darf man nicht moralisch argumentieren. Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr zu finden«, zitierte die Kommunistin den Schriftsteller Bertolt Brecht.
Unmut erzeugte Lennartz mit ihrer Aussage, dass der Westen alles daran setze, die Kampfhandlungen durch Waffenlieferungen zu verlängern. Das sorgte für einen lautstarken Konter der ebenfalls anwesenden »Omas gegen Rechts««, die gegen diese Aussage skandierten. Die Rednerin fuhr jedoch ungerührt fort: »Die USA und ihr Präsident Biden sagten, ein Regimewechsel ist das Ziel. Russland soll nicht nur wirtschaftlich ruiniert werden.« Frieden sei nicht alles, aber ohne Frieden sei alles nichts, schloss sie.