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»Wir ruhen uns nicht aus«

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Von: Benjamin Lemper

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Auch in der Schulstraße ist bereits eine Fahrradzone eingerichtet - weitere sollen folgen. Foto: Lemper © Lemper

Der Fahrradklima-Test des ADFC liefert der Stadt Gießen »gute Hinweise«, wo noch nachgebessert werden muss. Bürgermeister Alexander Wright nennt einige Beispiele.

Gießen. Das Rad wird als Verkehrsmittel in vielen Städten immer wichtiger - das Fahrradklima bleibt indes weiter ausbaufähig. Das bestätigt auch der gleichnamige Test für das Jahr 2022, den der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) gerade vorgestellt hat. Doch während sich bundesweit bei dieser Befragung die Gesamtnote mit 3,96 sogar noch geringfügig verschlechtert hat, konnte sich Gießen nach Jahren der Stagnation oder des Rückschritts insgesamt (von 3,9 auf 3,73) und in fast allen Einzelkategorien leicht verbessern (der Anzeiger berichtete). Unter den Kommunen mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern rangiert die Stadt damit im obersten Sechstel (Platz 19 von 113). Die Bewertung sei zwar nicht repräsentativ - zumal in Gießen nur 518 Personen teilgenommen haben, wohingegen allein beim »Stadtradeln 2022« fast 2700 Menschen mitmachten -, sie liefere aber »gute Hinweise, in welchen Bereichen Maßnahmen zu mehr Zufriedenheit führen könnten«, ordnet Bürgermeister Alexander Wright auf Anfrage dieser Zeitung das Abschneiden ein. Und versichert zugleich: »Natürlich ruhen wir uns nicht auf dem Erreichten aus.«

In Relation gesetzt, scheint das Gießener Ergebnis tatsächlich passabel ausgefallen zu sein. In ganz Deutschland sind es nur wenige Städte, die überhaupt besser als mit einer 3 aus diesem Test hervorgehen: zum Beispiel Nordhorn (2,76) oder Baunatal (2,47). Selbst Münster, in der öffentlichen Wahrnehmung stets der Inbegriff einer Fahrradstadt, ist zwar Spitzenreiter in der Ortsgrößengruppe von 200 000 bis 500 000 Einwohnern, kommt aber ebenfalls »nur« auf 3,04. Alexander Wright vermutet daher, dass sich am Fahrradklima-Test des ADFC »eher die Unzufriedenen beteiligen, um Druck aufzubauen«. Insofern habe er für Gießen auch nicht mit großen Sprüngen nach vorne gerechnet, freue sich jedoch umso mehr, dass Aktivitäten in einzelnen Bereichen durchaus anerkannt worden seien. Am deutlichsten wird dies bei den Punkten »Fahrradförderung in letzter Zeit« (von 3,6 auf 3,1) und »Werbung für das Radfahren« (von 3,8 auf 3,4). Darüber hinaus verweist der Verkehrsdezernent auf die Indikatoren »Breite der Radwege« (von 5,0 auf 4,7) und »Ampelschaltungen für Radfahrer« (von 4,6 auf 4,2). Hier ist zumindest das Plus jeweils am stärksten gewesen, wenngleich bei den Noten immer noch reichlich Luft nach oben besteht.

Regeltreue und weniger Konflikte

Welche Erkenntnisse sind nun daraus zu ziehen? Wie Wright betont, seien die »größten Schwächen« in Gießen im Vergleich zu anderen Städten - abgesehen vom Fahrraddiebstahl (4,7) - weder »besonders schlecht«, noch werde ihnen im Rathaus unbedingt die höchste Priorität beigemessen. Vielmehr gelte es, den Blick auf das zu richten, »was in Gießen als besonders wichtig bewertet wurde und die (subjektive) Sicherheit besonders verbessert«, so der Grünen-Politiker. Ein Überblick:

Der Bereich Prävention soll personell verstärkt werden. So ließen sich etwa Themen wie der richtige Abstand beim Überholen besser kommunizieren.

Es sollen mehr Fahrradstraßen und -zonen umgesetzt werden. Mit der Zeit, glaubt der Bürgermeister, führe dies dazu, dass den Verkehrsteilnehmern auch die neuen Regeln bewusster werden.

Beim Neubau von (Rad)wegen werde ferner darauf geachtet, »sogar möglichst überbreite Anlagen zu schaffen«. Als Beispiel nennt Wright die Marburger Straße bergab. Dies zu realisieren, brauche allerdings Zeit.

Attraktivere Radverkehrsanlagen könnten wiederum dazu beitragen, den Komfort insgesamt zu erhöhen. »Zusammen mit der Kommunikation und dem daraus erwachsenden Regelbewusstsein werden bei Regeltreue auch die Konflikte mit dem Kfz-Verkehr verringert«, folgert der Dezernent. Gleichzeitig würden Radfahrer als Verkehrsteilnehmer eher akzeptiert und die subjektive Sicherheit nehme zu.

Obwohl Gießen im Städtevergleich im Durchschnitt liegt, sei das Falschparken auf Radwegen (4,7) »eine der großen Schwachstellen in der Stadt«. Diesem Defizit zu begegnen, gehöre derweil zu den als wichtig eingestuften Herausforderungen. Bereits 2022 seien hier per Online-Abfrage »besondere Problembereiche« ermittelt worden, die intensiv kontrolliert werden sollen. Damit dies auch abends geschehen könne, habe man einen Schichtdienst eingeführt. »Dadurch ist aber noch weniger Personal zur selben Zeit im Stadtgebiet unterwegs. Zudem handelt es sich oft um eine kurze Behinderung. Nur in Ausnahmefällen wird die Ordnungspolizei zur richtigen Zeit vor Ort sein können, um Verstöße festzustellen und zu verwarnen«, erklärt der Grüne. Das Ordnungsamt bearbeite aber auch Privatanzeigen. Obendrein seien zusätzliche Stellen ausgeschrieben, Fachpersonal zu finden, sei jedoch schwer.

Radsignal mit Grünvorlauf

Je nach Wetterlage werde versucht, Radrouten freizuhalten. Erstmals wurde in diesem Winter eine Karte online gestellt und um Feedback gebeten, wo ein auffallend hoher Optimierungsbedarf vorhanden sei. Ziel sei es, so Wright, möglichst noch am selben Tag nachzubessern. Dieses Angebot müsse gleichwohl noch bekannter gemacht werden, etwa in Kooperation mit den Hochschulen. Außerdem sollen Fahrzeuge beschafft werden, die geeignetere Streumittel auf Radverkehrsanlagen verteilen können. »Da gab es allerdings Lieferengpässe.«

Bei der Aufrüstung oder Erneuerung von Ampelanlagen werde immer geprüft, ob ein Radsignal mit Grünvorlauf einen Sicherheitsgewinn bringe und ob indirektes Linksabbiegen mit einem eigenen Signal möglich sei.

Sukzessive sollen die Fahrradabstellanlagen - auch für Lastenräder - ausgebaut werden. An neuralgischen Punkten seien spezielle Vorkehrungen zum Schutz gegen Vandalismus und Diebstahl vorgesehen, wie etwa die Sammelschließanlagen und Boxen am Bahnhof. Diese Hotspots seien in Zusammenarbeit mit der zuständigen polizeilichen Arbeitsgruppe »Reifen« zu identifizieren, um zu gewährleisten, dass weniger Drahtesel zum Diebesgut werden.

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