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Wo nicht nur der Kongress tanzt

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Dagmar Klein und Sadullah Güleç erläuterten den Teilnehmern die Geschichte der Kongresshalle. Foto: Czernek © Czernek

Die Gießener Kongresshalle ist eigentlich ein Bürgerhaus. Nun gab es eine Führung durch das Gebäude, an dem sich die Geister scheiden

Gießen. An der Kongresshalle scheiden sich die Geister: Während die einen für einen Abriss plädierten, hatten sich andere konsequent für ihren Erhalt und Modernisierung eingesetzt. Diese Bestrebungen wurden 2016 mit Erfolg gekrönt, denn 50 Jahre nach Erbauung wurde das gesamte Ensemble in Gießens Stadtmitte unter Denkmalschutz gestellt.

Doch welche Konzeption verbirgt sich hinter dem Komplex, der 1966 feierlich eingeweiht wurde? Das war Thema einer Führung, zu der die Volkshochschule eingeladen hatte und die Teilnehmer in Ecken führte, die sonst nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind. Kenntnisreich mit geschultem Auge für die vielen kleinen Details erläuterten Dagmar Klein und Sadullah Güleç, Geschäftsführer der Stadthallen GmbH, was sich geschichtlich und inhaltlich hinter dem »Kasten« am Berliner Platz verbirgt.

Kunsthistorikerin Klein hatte anlässlich des 50-jährigen Jubiläums 2016 die baugeschichtlichen Hintergründe des Multifunktionskomplexes ergründet.

Güleç ergänzte die Ausführungen mit Hinweisen auf die heutige Nutzung und die kommenden Veränderungen, die in den nächsten Jahren entstehen werden. Die Planungen zu dem Komplex, der weit mehr als nur die Kongresshalle umfasst, reichen bis ins Jahr 1960 zurück. Darauf weisen auch die Baustellenplakate am Bauzaun im Außenbereich hin. Die sozialdemokratische Landesregierung hatte ein Landesförderprojekt entwickelt, das den Aufbau der Bürgerhäuser förderte. Diese Zuschüsse waren an gewisse Bedingungen gebunden, sodass die Landesregierung bei der Wahl des Architekten ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Den Zuschlag erhielt der schwedische Stadtplaner und Architekt Sven Markelius (1889-1972), der sehr stringent seine Ideen einer demokratischen Bauweise an dem Bürgerhaus am Berliner Platz verwirklichte Es ist das einzige Gebäude dieser Art von ihm in Deutschland. Bei der Beschreibung des Baus kam Klein direkt ins Schwärmen, da noch sehr viele Originalteile erhalten sind.

Die streng funktionale Bauweise wurde bewusst mit natürlichen Materialien wie Holz und Backstein kombiniert. Jedes Detail war von dem Architekten selbst entworfen und freigegeben. Nichts wurde dem Zufall überlassen. »Anders als in Deutschland sind die Architekten in Skandinavien während der gesamten Verwirklichung mit involviert. Sie entscheiden über die Materialien, Farben und Formen«. Verarbeitet wurden nur hochwertige Materialien, die zwar heute Gebrauchsspuren aufweisen, aber immer noch in Funktion sind.

Der Name »Kongresshalle« sei eigentlich nicht ganz korrekt, denn er verkürze die eigentliche Funktion, erklärte Klein, Das Bauwerk sei als Bürgerhaus geplant und gebaut worden. Der Name »Kongresshalle«, der sich in Gießen mittlerweile durchgesetzt hat, bezeichnet im engeren Sinne nur die beiden Säle des Komplexes. Es sollte ein multifunktionaler Bau werden, der Platz bietet für alle Bevölkerungsteile der Stadt von der Jugend bis zu den Senioren. Daher waren in dem Seitenflügel bewusst auch Stadtbibliothek, Kunsthalle und Jugendräume untergebracht. Klein erläuterte auch den Symbolständer auf dem Haupteingangstor. Mittig ist der Löwe und ein großes »G« für Gießen zu erkennen. Die Seitenteile seien Symbole aus Sport, Kultur und Wissenschaft und hätten nichts direkt mit Gießen zu tun.

Mit diesem Wissen um den Grundgedanken des Gebäudes wurden die jüngsten Umgestaltungen angegangen, immer in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Daher sei der Rückbau der verschiedenen Anbauten notwendig gewesen. Hierzu erläuterte Güleç, dass die Anliefersituation für die Halle verbessert werden, man sich aber gleichfalls an das Raumkonzept des Architekten halten musste. Auch im vorderen Bereich der Halle, dem sogenannten Kleinen Foyer, ist gerade einiges im Gange: Entlang der gesamten Glasfront wird der Bereich um einen Anbau, den sogenannten Wintergarten, erweitert. Die ehemalige Gaststätte wird gerade zu einem weiteren Veranstaltungsraum umgebaut. Der Gastronomiebetrieb habe sich einfach nicht mehr gelohnt. »Wir haben festgestellt, dass wir weitere Räume in der Größe des Kerkradezimmers gut gebrauchen können«.

Im Innenhof habe es zur Anfangszeit sogar ein Café gegeben, doch das sei schnell wieder verschwunden, erzählte Klein bei dem Rundgang. Auch der Japanische Garten soll wieder zurückgebaut werden, denn so war er nie konzipiert worden. Er soll dann für Veranstaltungen nutzbar sein. »Die Reihe ›Songs im Garten‹ hat gezeigt, was für eine tolle Akustik es hier gibt. Das wollen wir nutzen«, sagte der Geschäftsführer, der im Übrigen darauf hinwies, dass die Halle enorm gut ausgelastet sei und sie nach wie vor ihren Zweck erfülle.

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