Wohin mit dem Nachwuchs?

In Gießen fehlen Hunderte Kita-Plätze
Gießen . Seit 2013 haben Kinder mit Vollendung des ersten Lebensjahres in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Und trotzdem warten Eltern vielerorts vergeblich - auch in Gießen. »Es fehlen auf allen Ebenen Kita-Plätze«, sagte Jugenddezernentin Gerda Weigel-Greilich (Grüne) am Mittwochabend im Ausschuss für Soziales, Wohnen und Integration. Bedarf gebe es sowohl wegen neu zugezogener Familien als auch wegen der großen Nachfrage nach Ganztagsbetreuung. Zudem hätten sich Bauvorhaben wegen Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg teils erheblich verzögert.
490 fehlende Plätze
Wie genau die Situation in der Stadt aussieht, stellte Vanessa Van Harsselaar, städtische Abteilungsleiterin Kitas, den Ausschussmitgliedern vor. Demnach fehlten zum Stichtag 30. September etwa 190 Plätze für Kinder unter drei Jahre und circa 300 Plätze für über Dreijährige. Gleichzeitig gibt es reduzierte Gruppengrößen, sowohl wegen Integrationskindern als auch sozialraumbedingt. Allein die sozialraumbedingte Reduzierung führte zum 1. März vergangenen Jahres zu einem Verlust von 228 Plätzen. In zwei Gruppen wurden statt der üblichen 25 Kinder lediglich jeweils 14 betreut.
Die Entscheidung darüber, ob noch Ressourcen aktiviert werden können, müsse für jede Kita einzeln getroffen werden, betonte die Abteilungsleiterin. Dafür braucht es allerdings auch mehr Personal: Je fünf Kinder sei eine Viertel-Vollzeitstelle nötig. Die Stadt plant hier mit sogenannten alltagsunterstützenden Zusatzkräften, die die ausgebildeten Erzieher entlasten sollen.
Für Kinder im Vorschulalter ohne Betreuungsplatz gibt es im Familienzentrum Paulusgemeinde zudem eine »Mini-Kita«. Von montags bis mittwochs werden hier pro Gruppe fünf Kinder drei Stunden täglich betreut. Von Mittwochnachmittag bis Freitag gibt es dann einen Vorlaufkurs in der Georg-Büchner-Schule. Eine Lehrkraft betreut hier ebenfalls drei Stunden täglich circa zehn Kinder. Gerade die Versorgung der Kinder im letzten Kita-Jahr sei wichtig, damit diese Kenntnisse über die institutionelle Betreuung erhalten und Basiskompetenzen gefördert werden, so Vanessa Van Harsselaar. Auch der Eltern-Kind-Spielkreis im Familienzentrum Westwind ist eine Möglichkeit für unversorgte Kinder, die Kita kennenzulernen. Bei dem Angebot, das einmal wöchentlich im Turnraum der Kita stattfindet, kümmern sich eine pädagogische Fachkraft und eine Honorarkraft beziehungsweise Aushilfe um etwa zwölf Familien.
Die Stadt will zudem Eltern besser vernetzen. So soll »Hilfe zur Selbsthilfe« geleistet werden für Familien, die noch keinen Betreuungsplatz für ihren Nachwuchs haben oder bei denen es in den Randzeiten zu Ausfällen wegen Personalmangels kommt.
Klaus-Dieter Grothe (Grüne) befürchtete, dass es zu einer »sozialen Schieflage« kommen könnte, wenn die Stadt nicht genügend Betreuungsmöglichkeiten bereitstellt und Eltern den Klageweg gehen. Denn das würden vor allem diejenigen Familien machen, die es sich finanziell leisten können, während benachteiligte Familien ohne Platz blieben.
Welche Folgen es hat, wenn Kinder nicht oder wegen der Corona-Pandemie nicht regelmäßig in der Kita waren, erlebe man derzeit bei den Erstklässlern, betonte Schuldezernentin Astrid Eibelshäuser (SPD). »Die nun notwendigen Kompensationen zeigen, wie wichtig Investitionen in frühkindliche Bildung sind.«