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»Wollen für möglichst viele da sein«

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Von: Björn Gauges

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Das Team des Stadttheaters um Intendantin Simone Sterr (ganz links) stellt das Programm vor (untere Reihe von links): Ann-Christine Mecke, Mathilde Lehmann, Tim Kahn, Christian Förnzler, Caroline Rohmer, Constantin Hochkeppel, (obere Reihe von links) Lena Meyerhoff, Cennet Alkan, Andreas Schüller und Martin Reulecke. Foto: Gauges © Gauges

Das Stadttheater Gießen stellt das Spielzeitprogramm 2023/24 vor. Die Eintrittspreise werden leicht angehoben.

Gießen. Auf die »Veränderung« folgt das »Zusammenwachsen«: So lautet das Motto der zweiten Spielzeit im Stadttheater Gießen unter Intendantin Simone Sterr und ihres Leitungsteams. Nun wurde das Programm 2023/24 vorgestellt, das inhaltlich den mit Beginn dieser Saison eingeschlagenen Kurs fortsetzt. Viele Stücke zeitgenösssicher Autoren im Schauspiel, das Genre des Physical Theatre im Tanz, eine Mischung aus Klassikern und Raritäten in der Musik (siehe unten) sowie eine Jugendsparte, die alle Altersgruppen vom Kleinkind bis zum Teenager in den Blick nimmt.

Grundsätzlich gehe es darum, »ein Theater für alle zu machen«, sagte die Intendantin. »Wir möchten für möglichst viele Menschen da sein, auch für solche, die noch gar nicht da sind.« Nicht verhindern lassen habe sich allerdings eine Anhebung der Eintrittspreise, erklärte Dr. Martin Reulecke, der Geschäftsführende Direktor. Die sei eigentlich schon in der vergangenen Saison geplant gewesen, dann aber wegen der Corona-Auflagen verschoben worden. Um rund fünf bis zehn Prozent steigen laut Reulecke nun die Ticketpreise, wobei darauf geachtet worden sei, dass vor allem die günstigen Angebote für sozial schwächere Besucher bestehen bleiben. Im Vergleich der hessischen Häuser stehe das Stadttheater damit immer noch am unteren Ende der Preisskala.

Die Saison startet am 22. September mit dem Schauspiel »Woyzeck« nach Georg Büchner. Der Dramatiker wurde damit nach »Dantons Tod« zum zweiten Mal hintereinander auf den Spielplan gesetzt. Diese Inszenierung um den gepeinigten Soldaten wird mit Musik von Tom Waits begleitet. Und wie in der aktuellen Saison ist es der einzige Klassiker, der auf dem Schauspiel-Spielplan zu finden ist.

»Wir glauben an das Autorentheater«, sagt Simone Sterr, »an Stücke, die für unsere Zeit geschrieben sind«. Dazu zählt etwa »Neometropolis« von Pat To Yan (Premiere: 13. Januar). Der Hongkonger, mit dessen »Posthuman Journey« die aktuelle Spielzeit spektakulär begonnen wurde, schreibt dieses neue Stück, in dem es um die Koexistenz von menschlichem und nichtmenschlichem Leben geht, als Auftragsarbeit für das Stadttheater. Weitere brandaktuelle Themen: In »Midnight Movie« (Premiere: 14. Oktober) geht es um digitale Welten, in »Fifty Degrees of Now« (27. Juni) um die drohende Klimakatastrophe, in »Stadt, Land, Flut« (15. März) um das menschliche Zusammenleben in Krisenzeiten.

Eine ganze Reihe widmet sich dem Klimaschutz. In Zusammenarbeit mit dem Gießener Politikwissenschaftler Claus Leggewie und Liza Bauer vom »Panel on Planetary Thinking« der Justus-Liebig-Universität. Zum Programm unter dem Titel »Das Parlament für die Zukunft« zählen Diskussionen, ein Live-Hörspiel, ein Stadtspaziergang und Rezepte der Zukunft: »Wie geht eigentlich nachhaltiges Kochen?«

Das Junge Theater startet am 29. September mit »Der Bär, der nicht da war« für Kinder ab drei Jahren. Das Stück nach dem Kinderbuch des Israelis Oren Lavie ermutigt dazu, die Welt offen und neugierig zu betrachten. Außerdem auf dem Programm steht der Kinderbuch-Klassiker »Vorstadtkrokodile« nach Max von der Grün (15. November), die Abenteuergeschichte »20000 Meilen unter dem Meer« nach Jules Verne (18. Februar) im Hörsaal der Hermann-Hoffmann-Akademie oder »Schöne neue Welt«, bei dem 12- bis 18-Jährige selbst teilnehmen und erforschen können, was eine bessere Welt ausmacht.

In der Tanzsparte sind der Künstlerische Leiter Constantin Hochkeppel und seine Stellvertreterin Caroline Rohmer weiter auf der Suche nach Ausdrucksmöglichkeiten des Physical Theatre, in dem der Tanz mit anderen Kunstformen zusammenkommt. Sie starten die Saison am 30. September mit einer Uraufführung von Regisseurin Ursina Tossi, die sich an »Menschen mit und ohne Sehbehinderung« wendet. Inhaltlich geht es um eine Welt im Umbruch, die zugleich von einer Stimme begleitet und damit in einer eigenen ästhetischen Form präsentiert wird. Hochkeppels erste eigene Inszenierung der Saison, »Die andere Seite« (8. Dezember), beschäftigt sich mit dem Traum, der »viel über unsere seelischen und gesellschaftlichen Zustände verrät«. Als Gäste eingeladen sind Ensembles aus Sachsen, Salzburg und Nordrhein-Westfalen. Gemeinsam werde erforscht, »was Tanz sein darf, kann und muss«, so Hochkeppel

Zum Programm zählen erneut eingeführte Reihen wie »Premierencocktail«, »Absacker«, der Mitsing-Chor und das Theaterfest, mit dem die Saison 23/24 eingeläutet wird. Zudem ist das Stadttheater Gastgeber der Hessischer Theatertage 2024, in denen sich ab Ende Juni zehn Tage lang Bühnen aus dem ganzen Land vorstellen. Neu dabei ist die aus Berlin gekommene Cennet Alkan, die sich als Dramaturgin mit den Themen Stadtvernetzung und Erinnerungskultur beschäftigen wird.

Gießen (tsa). Im musikalischen Bereich verfolgen die Programmverantwortlichen in der Spielzeit 2023/24 weiterhin den eingeschlagenen Weg und präsentieren neben bekannten und beim Publikum beliebten Werke auch solche, die in Gießen noch nie aufgeführt wurden. Die Leiterin des Musiktheaters, Ann-Christine Mecke, freute sich, dass es gelungen ist, das Ensemble von zwei auf sechs feste Mitglieder zu erhöhen. »Ich bin sehr glücklich darüber, was da zusammengewachsen ist«, sagte sie. Drei davon sind gleich in der ersten Premiere am 21. Oktober in Verdis »Rigoletto« zu erleben: Grga Peroš (Rigoletto) und Annika Gerhards (Gilda) geben ihre Rollendebüts; hinzu kommt der neue Haus-Tenor Michael Ha als Herzog, der aktuell als Cavaradossi in »Tosca« auf der Bühne steht.

Die junge Sopranistin Julia Araújo wird in Tschaikowskys »Eugen Onegin« (Premiere 23. März) ihre erste Tatjana singen. Mecke kündigte Händels komische Oper »Xerxes« (10. Februar) als »Fest der hohen Stimmen« an, das von dem namhaften russischen Regisseur Philipp Grigorian in Szene gesetzt wird, der in seinem Heimatland an den großen Häusern tätig war und nun dabei ist, sich in Westeuropa eine neue Karriere aufzubauen. Georges Bizets »Die Perlenfischer« ist voll ausdrucksstarker Arien und faszinierender Orchesterfarben, die in einer konzertanten Aufführung am 28. April zu genießen sind. »Eine der größten Partien in dieser Oper und der gesamten Spielzeit hat der Opernchor«, so die Musiktheaterleiterin.

Musikdramaturg Christian Förnzler stellte zwei eher unbekannte Projekte vor: »Mitislaw, der Moderne«, eine Kabarett-Operette von Franz Lehár aus dem Eröffnungsjahr des Stadttheaters 1907 (26. Mai), außerdem »Curlew Love Songs«, das Benjamin Brittens »Curlew River« mit einer Uraufführung von Cymin Samawatie für Frauenchor verbindet und im besonderen Ambiente der Johanneskirche aufgeführt wird, als Kooperation mit dem Stadttheater Aachen (5. Juli). Gastdirigenten werden im Musiktheater nicht benötigt, weil Generalmusikdirektor Andreas Schüller und sein Stellvertreter Vladimir Yaskorski alles selbst erledigen.

»Wir haben viele Vorschläge aufgegriffen, die im Lauf dieser Spielzeit auf uns eingeprasselt sind; sowohl aus dem Publikum als auch aus den Reihen des Orchesters«, sagte Schüller zu Beginn seiner Ausführungen zum Konzertprogramm. Danach gibt es wieder acht Sinfoniekonzerte, wovon eins traditionsgemäß vom HR-Sinfonieorchester (20. April) bestritten wird. Die Gäste aus Frankfurt haben neben dem Klavierkonzert KV 488 von Mozart die Sinfonie Nr. 3 von Sibelius im Gepäck.

Der GMD versprach mehrere Gießener Erstaufführungen aus einem Zeitraum von 250 Jahren, die jeweils mit bekannteren Stücken gepaart werden. So steht im ersten Sinfoniekonzert am 27. September eine Sinfonie der Amerikanerin Florence Price dem berühmten Konzert für Orchester von Béla Bartók gegenüber, im siebten Sinfoniekonzert (17. Mai) spielt das Philharmonische Orchester ein Werk des Komponisten Julius Röntgen, einem weitläufigen Cousin Konrad Röntgens. Im dritten Sinfoniekonzert verbindet sich das Gießener Orchester mit der Philharmonie Südwestfalen zu einem riesigen Klangkörper. »Damit können wir machen, was sonst in Gießen nicht möglich wäre«, sagte Schüller und meinte »Ein Heldenleben« von Richard Strauss (28. Januar). Aus Platzgründen muss dieses ambitionierte Konzert in der Kongresshalle stattfinden.

Zu den acht Sinfoniekonzerten kommen zwei Chorkonzerte (21. Dezember und 18. Juli), drei Kinder- und Familienkonzerte sowie das »Junge Podium« mit jungen Absolventen der Frankfurter Hochschule für Musik (früher: Examenskonzerte). Das Neujahrskonzert unter Schüllers Leitung wird wegen des großen Zuspruchs wieder zweimal aufgeführt, und das Format der beliebten Preview-Konzerte soll fortgesetzt werden.

Das komplette Spielzeitprogramm 2023/24 ist ab sofort beim Stadttheater in Heftform erhältlich. Außerdem ist es online einsehbar: www.stadttheater-giessen.de. (bj)

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Der Gießener Politologe Claus Leggewie beteiligt sich mit einer Reihe zu Zukunftsthemen am Programm. Foto: dpa © dpa

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