Zucchini und Knobi im Kirchengarten

Mitten in Gießen versteckt sich eine Oase, die von Studierenden gepflegt wird. Das Grundstück gehört der Evangelischen Landeskirche - und der Probst gab dem Projekt seinen Segen.
Gießen. Was ist eine Oase? Laut Wikipedia ist das ein Vegetationsfleck in der Wüste, üblicherweise an einer Quelle, Wasserstelle, einem Wadi (ein nur zeitweise Wasser führender Flusslauf) oder am Ende eines von Menschenhand ausgeschachteten Qanats (Wasserleitungssystem) gelegen. Oasen können in der Größe und im Charakter erheblich variieren, vom kleinen, von Dattelpalmen umgebenen Teich bis hin zu ganzen Städten mit angesiedelten Industrie- und Landwirtschaftsbetrieben. Die traditionelle Wirtschaftsform, bei der verschiedene Kulturen kombiniert werden, ist die »Oasenwirtschaft«.
Und eine solche Oase gibt es auch inmitten der Stadt direkt am Anlagenring. Ein wenngleich auch nur kleiner »Vegetationsfleck« zwischen durch Gebäude, Parkplätze und Gehwege versiegelten Flächen, die wüstengleich vegetationslos sind. Zwischen der Südanlage 13 und der Lonystraße 13 besitzt die Landeskirche, und zwar die Evangelische Kirche Hessen-Nassau (EKHN), ein durchgehendes Grundstück. Hinter den beiden Gebäuden in der Südanlage und der Lonystraße gibt es jeweils eine Parkfläche. Und zwischen diesen Plätzen liegt eine grüne Insel, ein kleines Stadtwäldchen mit alten, hochgewachsenen Bäumen. Eine dickstämmige Rotbuche ragt heraus. Zu sehen ist der Hain fast nur von einer durch eine Hofeinfahrt gebildete Gebäudelücke in der Goethestraße. Und zwischen den hochgewachsenen Bäumen liegt einer Lichtung gleich eine an etwa 150 Quadratmeter Größe reichende Freifläche, die an einen Bauerngarten erinnert. Hier wachsen Zucchini, Mangold, Rote Bete, Bohnen, Zuckererbsen, Erdbeeren, diverse Sorten Tomaten, Hokaido, Ruccola, Kopfsalat, Knoblauch, Zwiebeln und verschiedene Kräuter.
Jutta Becher, 2014 Landesgartenschau-Pfarrerin und seit 2016 bei der Evangelischen Studierenden Gemeinde (EVG) in der Henselstraße tätig, stellte nun dieses Kleinod vor. In früheren Zeiten sei die jetzige Freifläche nicht genutzt worden. Der Wunsch von Studenten sei seinerzeit gewesen: »Wir brauchen als Ausgleich für den Kopf etwas für die Hände.«
Zu dem Anliegen habe der Propst, beheimatet in dem Gebäude an der Lonystraße, gesagt: »Nehmt das!« Sodann hätten die Studenten die komplette Brachfläche urbar gemacht, mit ihrer Hände Arbeit bereinigt, Erde aufgeschüttet und bepflanzt.
Nils Hübner leitete zusammen mit Lukas Roller das Gärtnerische und koordinierte die Arbeit. Etwa zehn Studenten finden hier ihren Ausgleich zur Kopfarbeit nach dem Studieren. Dreimal wurde in diesem Jahr bereits das Unkraut komplett entfernt. Wasser und Wasserschlauch stellt der Probst.
Der Verzicht auf Pestizide und Mineraldünger sorgt für viel Bio-Gemüse zur Selbstversorgung. Im Fachjargon genannt ein »Urban Gardening Projekt«. Zwei Bienenstöcke konnten durch Spenden bei einer Hochzeit, die Becher zelebrierte, gekauft werden. Ein dritter sowie ein Insektenhotel gesellte sich inzwischen dazu.
In einer kleinen Freifläche im umgebenden Hain wurde eine Sitzfläche geschaffen, mit einer Plane überdacht. »Eigentlich könnte man das weiterführen und eine Bildungssache daraus machen«, regt Becher an. Wenn man nur daran denke, wie viele kirchlichen Kitas hier in der näheren Umgebung seien. »Wenn wir als Christen von der Bewahrung der Schöpfung reden und die Klimakatastrophe vor Augen haben, dann sollten wir als Kirche aktiv sein und einen kleinen Teil als Beitrag zum Mitmachen und Genießen in der Natur ermöglichen.«
Dass die Stadt einen Bebauungsplan für das gesamte unbebaute Gelände aufgestellt hat, tangiert diese kleine Oase nur peripher. Denn zweistöckig gebaut werden darf nur auf dem Hofareal des Gebäudes an der Südanlage und dreistöckig nur auf selbigem hinter dem an der Lonystraße. Kein Baum darf als Opfer einer möglichen künftigen Bautätigkeit gefällt werden.
Und das idyllische Gartenrefugium bleibt bestehen. Sofern sich auch weiterhin genügend Leute finden, die es hegen und pflegen.