Zum Auftakt wird es spaßig

Nach Stationen in Leipzig, Stuttgart und Wien: Ann-Christine Mecke übernimmt die Leitung des Gießener Musiktheaters.
Gießen. Ann-Christine Mecke hat erst vor Kurzem ihre Wohnung in Gießen bezogen, aber in der Kürze der Zeit bereits die Erfahrung gemacht, dass die Einheimischen, denen sie als frisch Zugezogene begegnet, als erstes meinen, sich für ihre Stadt entschuldigen zu müssen. »Dabei ist Gießen besser als sein Ruf. Die Stadt hat sehr viel Lebensqualität, hat Kneipen, Cafés, Kinos, das Stadttheater und die Universität, und die Menschen sind nett«, sagt die Neubürgerin, die am Theater die künstlerische Leitung des Musiktheaters übernimmt.
Gießen ist aktuell der dritte Eckpunkt in ihrem persönlichen geografischen Dreieck; die beiden anderen sind Berlin und Wien. In Berlin habe sie noch eine Wohnung und in Wien »zwar keinen Koffer, aber einen Ehemann«, erzählt sie freimütig und lächelt dabei.
Die neue Chefin des Musiktheaters wirkt völlig ungezwungen und ungekünstelt. Vom ersten Augenblick an vermittelt sie den Eindruck einer Frau, die auf erfrischende Weise Natürlichkeit und positive Energie ausstrahlt. Zu ihrem Namen gehört eigentlich der Doktortitel, denn sie hat nach dem Studium der Philosophie, Musikwissenschaft und Physik (!) über den Umgang mit dem Stimmwechsel in der Musikgeschichte promoviert und weiter im Grenzbereich zwischen Musik und Physik geforscht. Schließlich wandte sie sich ganz dem Musiktheater zu und war seit 2003 als Dramaturgin am Theater Leipzig, der Oper Stuttgart und der Wiener Staatsoper engagiert.
Leipzig, Stuttgart, Wien - und nun Gießen. Wie das? Die neue Intendantin Simone Sterr habe sie gefragt, ob sie gerne eine andere Aufgabe übernehmen möchte. »Ich habe Ja gesagt und nicht gedacht, dass das klappt«, berichtet sie und beschreibt das Reizvolle ihrer neuen Position: »In Wien war ich nur eine kleine Dramaturgin unter vielen, aber hier trage ich Verantwortung für den Spielplan, für die Auswahl der Sänger und einiges mehr.«
Mit der »Gefährlichen Operette« (Premiere: 8. Oktober), einem zeitgenössischen Werk von Gordon Kampe, startet das Musiktheater in die neue Spielzeit. Das Publikum darf sich auf eine turbulente, leicht überdrehte Mischung aus Cancan, Csardas, Schnulze, Walzer und Witz gefasst machen. »Mir ist wichtig«, so Ann-Christine Mecke, »dass wir mit etwas Zeitgenössischem und etwas Unterhaltsamem beginnen.« Gerade in Zeiten der Pandemie habe sich gezeigt, dass die Menschen ein großes Bedürfnis nach Unterhaltung hätten. Zudem werde das ausgewählte Werk zeigen, »dass man auch bei zeitgenössischer Musik Spaß haben kann«.
Mit »Caterina Cornaro« von Gaetano Donizetti wird nach ihren Worten die große Gießener Tradition fortgesetzt, unbekannte Werke zu spielen. Die in Vergessenheit geratene Belcanto-Oper Donizettis, »eine Oper mit Hitpotenzial« (Mecke), wurde nach ihrer Uraufführung 1844 nur selten gespielt und erlebt am 26. November in Gießen ihre szenische Erstaufführung in Deutschland. Es folgen am 20. Januar die beiden zeitgenössischen Einakter »Prothesen der Autonomie« und »Valerie’s Voice«, die beide in der Zukunft in von Frauen dominierten Gesellschaften spielen. Weiter geht es mit dem »Sommernachtstraum« von Benjamin Britten am 11. Februar. Da freut sich Ann-Christine Mecke besonders, dass es gelungen ist, Magdalena Fuchsberger für die Regie zu gewinnen: »Die macht gerade richtige Karriere und geht direkt danach an die Wiener Staatsoper.«
Richtig große Oper gibt es mit »Tosca« von Giacomo Puccini (Premiere am 25. März). Puccini sei in Gießen »gnadenlos unterrepräsentiert«, weil man dafür stets ein vergrößertes Orchester brauche, aber jetzt sei es wieder einmal an der Zeit, es zu machen, sagt die Musiktheaterleiterin. In der Rolle des Polizeichefs Scarpia werde Hausbariton Grga Peros zu erleben sein. Und schließlich verfüge das Stadttheater mit Julia Araujo (Mezzo), Jana Markovic (Alt) und Annika Gerhards über die ideale Besetzung für Wolfgang Amadeus Mozarts »La clemenza di Tito«, Premiere am 19. Mai.