Zuviel Dystopie
Gießen (bcz). Alten und neuen Vorstellungen über eine zukünftige Gesellschaft widmeten sich am Sonntagabend der Berliner Literaturkritiker Martin Zähringer, der Gießener Theatermacher Patrick Schimanski und die Münchener Science-Fiction-Autorin Theresa Hanning, die dabei zugleich ihren jüngsten Roman »Pantopia« vorstellte. Unter dem Titel »Was träumst du?
- Utopie statt Dystopie« begaben sich die drei auf literarische Spurensuche« in der taT-Studiobühne.
Das Thema ist groß und unendlich vielfältig, wenngleich der Blick in die Zukunft aktuell eher ungute Gefühle aufkommen lässt, stellte Regisseur und Moderator Schimanski zu Beginn fest. »Aktuell beherrscht uns ein Alptraum«: der Ukrainekrieg. Doch Thema war an diesem Abend etwas anderes. Das Bühnentrio ging der Climate Fiction auf den Grund. »Das Genre ist im englischsprachigen Raum weiter verbreitet als in Deutschland«, stellte Literaturkritiker Zähringer fest. Neu ist es übrigens nicht, seit mindestens 70 Jahren erscheinen dazu Romane. Zähringer wählte Literaturstellen aus, die von den Mitgliedern des Schauspielensembles, Stephan Hirschpointner, Anne-Elise Minetti und Roman Kurtz, brillant vorgetragen wurden.
Bekannt sei die Thematik vor allem durch Blockbuster-Filme. Der Klimawandel wird darin »meist nur dystopisch verarbeitet. Aber wo sind die Utopien dazu?«, fragte er, schließlich habe das Thema doch einiges mehr zu bieten. »Wer heute relevante Literatur schreiben will, muss sich mit dem Klimawandel beschäftigen«, betonte er. Vorgänger gibt es genügend. Schon 1975 erschien »Ökotopia« von Ernest Callenbach, der mit viel Sachkenntnis Sachverhalte beschreibt, die 40 Jahre später relevant wurden. Auch das Skandalbuch der 1990er Jahre, »Go! Die Ökodiktatur« von Dirk C. Fleck, gehört in diese Liste. Erstaunlich modern liest sich heute noch das Werk «Utopia« von Renaissance-Vordenker Thomas Morus, der für seinen kritischen Geist allerdings im Jahr 1535 mit dem Leben bezahlte. Morus beschrieb die Ungleichheit zwischen der armen arbeitenden Bevölkerung und den Reichen, die ungleich mehr an Geld für ihren Besitz erhielten.
Transparenter Kapitalismus
Diese Diskrepanz greift auch Theresa Hannig in ihrem jüngsten Roman «Pantopia« auf. Im Bühnengespräch bezog sie dazu Position. In vielen Romanen werde die Abkehr vom Eigentum beschrieben. «Das funktioniert nicht. Das sehe ich jeden Tag. Ich habe zwei Kinder. Ich muss jedem etwas mitbringen, sonst gibt es Streit.« Daher entwirft sie eine Welt des transparenten Kapitalismus, gesteuert von einer Künstlichen Intelligenz (KI). Die Idee die dahinter klingt verlockend: Der Preis setzt sich aus allen anfallenden Kosten zusammen, die anfallen. Dazu gehören neben der reinen Produktion auch CO2-Ausstoß, faire Arbeitsentlohnung und vieles mehr. Dies wird von einer KI, die sich selbst »Einbug« nennt, organisiert. »Wenn ein realer Preis gezahlt wird, lösen sich viele Probleme von selbst.« Die These von der Weltrettung durch die KI rief jedenfalls interessierte Nachfragen aus dem Publikum hervor.